31 August 2023, dpa Rheinland-Pfalz/Saarland, DIE ZEIT
Interview (de)
Künstler Heiner Goebbels startet "Orakelmaschine"
An einem der schwersten Arbeitsplätze des ehemaligen Eisenwerks Völklinger Hütte präsentiert Komponist Heiner Goebbels im September ein Kunstwerk aus Licht, Musik und Stimmen. «862 - Eine Orakelmaschine» heißt das gut einstündige Werk, dessen Premiere am Freitag (1.9./20.15 Uhr) in der früheren Kokerei auf dem Programm steht. Bis zum 17. September wird der künstlerische Grenzgänger Goebbels bei neun Aufführungen an drei Wochenenden an der einstigen Kohlenstampfmaschine im Unesco-Weltkulturerbe präsent sein. Heavy Metal trifft Performative Installation, sozusagen.
Das Stück hat der 1952 im pfälzischen Neustadt/Weinstraße geborene Goebbels eigens für den Ort geschaffen. In der ehemaligen Kokerei, die heute von wildem Grün dominiert und «Paradies» genannt wird, steht dazu unweit der Kohlenstampfmaschine mit der Inventarnummer 862 eine nicht überdachte Tribüne mit etwa 130 grauen Schalensitzen. Bereits der Weg durch die Natur dorthin ist ein Erlebnis für alle Sinne. Das weltweit einzig erhaltene Eisenwerk aus dem Industriezeitalter ist seit 1994 Welterbe der UN-Kulturorganisation.
Warum wählt Goebbels diesen Aufführungsort - und nicht etwa ein horizontfüllendes Panorama mit Hochöfen vor Abendhimmel? «Angesichts der überwältigen Fülle dieser gewaltigen Anlage hat mich gerade die Intimität dieses Hohlwegs interessiert, um die verwunschene Maschine wieder zum Leben zu erwecken», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Allzu viel will Goebbels, der seit 50 Jahren in Frankfurt/Main und ab und zu in Berlin lebt und als Künstler weltweit unterwegs ist, aber nicht vorab verraten. Nur «dass sich der Blick auf die Kohlenstampfmaschine ständig verändern wird». Texte von Marguerite Duras, Maurice Blanchot und Helmut Heißenbüttel sollen zu hören sein und historische Aufnahmen von fremdländischen Stimmen in Erinnerung an Zwangsarbeiter während des Ersten Weltkriegs in der Hütte.
Von einer «ästhetischen Erfahrung», einer «Reise des Sehens und des Hörens» spricht der Künstler. Willkommen ist auch die «Hüttenmusik» in Form von Räderquietschen naher Güterzüge. Bringt das Publikum seine Alltagsfragen mit, und die Orakelmaschine präsentiert Lösungen? Nein, sagt Goebbels. «Umgekehrt: Die Orakelmaschine stellt hier die Fragen - und die Antworten werden individuell sein.»
Weltkulturerbe-Chef Ralf Beil hatte schon früher mit Goebbels zusammengearbeitet, so entstand die Idee. Und mit welchem Gefühl könnte das Publikum «862 - Eine Orakelmaschine» verlassen? «Das frage ich mich auch», sagte Goebbels. «Ich bin gespannt auf die Antworten. Vielleicht mit dem Gefühl, dass alles, alles auch wieder gut wird.»
on: No 862 (Installation)