1 November 2009, artikul:ar
Review (de)

Stifters Dinge

Eine performative Installation von Heiner Goebbels in Dresden

Am 17. Oktober 2009 war im Festspielhaus Hellerau ein Maschinenhappening zu erleben, welches auf überzeugende Weise ein Schlachtengemälde des Biedermeier zeichnete. Diese Höllenmaschine war letztlich nur eine Anhäufung von Instrumenten, die von Computern gesteuert und Sensoren gespielt, ein wundersames Bühnenstück zu vollführen schien. Das Schauspiel ohne Akteure war in eine romantische Kulisse verpackt, die dem Publikum Lust darauf machte, der agierenden Maschine in die Tiefen von Adalbert Stifters böhmischen Hochwald zu folgen. Klangskalen und Bachfragmente wurden mit einem kunsthistorischen Exkurs zu van Ruisdael und Paolo Uccello kombiniert, der sich schließlich in Textfragmenten Stifters zu verlieren schien. Alles in allem wurde Stifters literarische Eigenart thematisiert, die keine Nähe zum Menschen zulässt, sich in endlosen Landschafts- und Gegenstandsbeschreibungen verliert und den Menschen außer Acht lässt, beziehungsweise ihn dem Subjekt unterwirft. Dieser Frage der gesellschaftlichen Verdinglichung wird mit Hilfe der strukturalistischen Philosophie nachgegangen. Der Paarungsgesang zweier lateinamerikanischer Eingeborener folgt dem verzweifelten Resümee Claude Levi-Strauss, der meint, dass es keinen Ort mehr auf Erden gebe, den die Menschen nicht bereits aufgespürt hätten. Dies war alles an der Maschine zu betrachten, die in sich Kunst und Technik, Musik, Text, Szene, Malerei und Medienkunst zu vereinen schien. Der Komponist und Regisseur Heiner Goebbels (geboren 1952), hat mit dieser beeindruckenden Klang/Videoinstallation dem scheinbar vergessenen Biedermeierautor und Künstler Adalbert Stifter im Jahr seines 200. Geburtstags (am 23. Oktober 2009) ein rätselhaftes Denkmal gesetzt.

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on: Stifters Dinge (Music Theatre)