4 May 2015, Markus Schwering, Kölner Stadtanzeiger
Review (de)
„Die Utopie liegt in der Form“
Heiner Goebbels sprach im Museum Ludwig über „politische Musik heute“ im Rahmen des „Acht Brücken“-Festivals
"...Musik und Politik – funktioniert das also gar nicht, und muss sich generell Kunst, die sich ihrem Selbstverständnis nach als politische versteht, selbst als ein Ding der Unmöglichkeit auffassen – und solchermaßen desavouieren? Nein, sagt Goebbels, aber das Politische an Kunst muss sich, um legitim zu sein, anders definieren, als wir es aus der Tradition gewohnt sind. Zum einen nicht über die inhaltliche Aussage, das Statement – der Musiker wehrt sich gegen „die Repräsentation auf der Bühne“ –, sondern über die Form, die, insofern sie bestimmte an sie gestellte Erwartungen dementiert und eben konventionelle „Formate“ aufbricht, eine eigene utopische Qualität gewinnt. Konkretisierend verwies er in diesem Zusammenhang auf seine eigenen Kompositionen auf Texte von Rainald Goetz („Befreiung“) und Gertrude Stein („Songs of Wars I have seen“), die am Sonntag im Schauspiel Köln aufgeführt worden waren: „Für das Politische gibt es selbst in diesen wortgebundenen Werken keine Sprache.“ Zum anderen entsteht, so Goebbels, Politisches nicht direkt auf der Bühne, sondern als Reaktionsform des Zuschauers und des Publikums, die sich mit dem aufgeführten Werk auseinandersetzen: „Selbstkonstitution im Widerspruch zu dem, was wir sehen, ist ein politischer Vorgang.“ Kunst selbst wiederum habe die Widersprüche der Welt nicht zu lösen, sondern sie als solche, als ungelöste, „anzubieten“...."
on: Songs of Wars I have seen (Music Theatre)