20 September 2001, Christian Rentsch, Tages-Anzeiger
Review (de)

Klanglabor

Heiner Goebbels und Les Percussions de Strasbourg am Berner taktlos-Festival.

Die Bühne spärlich beleuchtet, in düsterem Grün. Karg, fast leer; vorne, auf Hüfthöhe, drei schwarze Metallleisten mit Neonröhren. Hinten eine Reihe weiterer Neonleuchten, eine strenge Geometrie. Darüber drei Leinwände. Eine Art Grossraumbüro, ein leicht irreal wirkendes Labor zur Entwicklung musikalischer Ideen. Auf den Seiten, fast versteckt im Halbdunkel: rechts sechs riesige Rahmentrommeln, deren blasse Scheiben wie eine Skulptur erscheinen, links alles Mögliche, unter anderem ein Hackbrett, eine Eisenkonstruktion zur Erzeugung absonderlicher Geräusche, ein Vibrafon, eine Marimba, einzelne Glocken, ein Triangel, weitere Trommeln. Im Verlauf des Konzerts tragen die Musiker weitere Instrumente auf die Bühne, spielen, räumen sie wieder weg. Ordentlich geht es zu und her hier, wie in einem Labor eben. Es gibt etwas zu sehen. Vor allem aber gibt es etwas zu hören: Ein Metronom tickt aus den Lautsprechern, eine ganze Weile. Irrtum, ein Musiker tritt langsam aus dem Dunkel, das Metronom sind zwei Kugeln, die rhythmisch gegeneinander prallen. Aber ist da nicht auch ein kleiner Nachhall aus den Lautsprechern, ein elektronisches Plong statt des metallischen Pling der Kugeln? Die anderen Musiker treten auf, einer nach dem andern, mit obskuren Dingen, mit Fusspedalen eines Schlagzeugs etwa, ein anderer legt, klack, ein kleines Becken auf den Boden, schiebt es kratzend über den Boden. Alles Alltagsgeräusche. Oder schon Musik? Wann werden aus Geräuschen Rhythmen? Die einzige Frau des Ensembles lässt ein Becken zwirbeln, die anderen Musiker gesellen sich dazu, bald kreisen sechs Becken wie Kreisel, keines klingt wie das andere. Die Musiker schieben die Becken mit langen Ruten wie Schachfiguren über das Feld, es zischelt, dengelt, manchmal kracht es ein wenig, wenn zwei Becken zusammenprallen. Später lassen die Musiker Murmeln in Töpfe und Schalen aus tropfen, lassen sie darin kreisen und rotieren. Sie schlagen an riesige Metallfedern, die von der Decke herunterhängen, rascheln mit Trommelfellen aus Plastik, Ruten pfeifen durch die Luft. Hin und wieder mischen sich elektronische Klänge ins Geschehen, einige Worte, ein kurzes Pingpong zwischen Mensch und Maschine. Heiner Goebbels, als Jazz- und experimenteller Rockmusiker bekannt geworden, Komponist von Theater-, Film- und Kammermusiken, Autor von Hörstücken und Musiktheatern, hat in gemeinsamer Arbeit mit dem berühmten sechsköpfigen Ensemble Les Percussions de Strasbourg ein szenisches Konzert für Schlagwerk, Szene, Licht und Videoprojektionen entwickelt. ". . . même soir.- (. . . am selben Abend.-)" ist keine Trommelorgie, im Gegenteil: Hier wird verspielt geforscht, experimentiert; fast zaghaft werden die klanglichen Möglichkeiten der Instrumente mehr umkreist als ausgespielt; das eigentliche Zentrum, die Perkussionistik, bleibt leer, wird fast völlig ausgespart, nur hin und wieder geraten die seltsamen Klänge in Fahrt, wird Rhythmik daraus. Goebbels hat eine europäische Sichtweise auf die Perkussionsmusik, er kommt ganz ohne Anlehnung an den Jazz oder an die Weltmusik aus. Die sechs Musiker erzählen auf ihren Instrumenten ausgefallene, skurrile, witzige Klanggeschichten. Heiner Goebbels hat sie zu einer in sich geschlossenen multimedialen Choreografie zusammengefügt. Ein wunderbar poetisches, leises Theater. (Christian Rentsch)

on: ...même soir.- (Music Theatre)