23 October 2000, Gießener Allgemeine
Review (de)
Bizarre, bildstarke west-östliche Traumreise
[...] Die drei Frauen entführen mit Charisma in die absurden und bunten Welten von Fantasie und Kindheit. Im Reifrock, riesengroß und rothaarig wirkt die Schwedin Charlotte Engelkes wie eine überdimensionale Figurine aus Oskar Schlemmers "Triadischem Ballett". Puppenhaft zierlich und klein wirkt dagegen die japanische Musikerin Yumiko Tanaka, die auf verschiedenen Instrumenten ihrer Heimat spielt und durch die Kraft ihrer rauhen Schreie bei einem rätselhaften Ritual überrascht. Eher unaufällig dazwischen, aber mit clownesker Grazie und Mimik agiert die Kanadierin Marie Goyette. Sie parodiert Gertrude Stein in Männerhut und Mantel. Auszüge aus der wortspielerisch kreisenden, sich wiederholenden Experimentierprosa der amerikanischen Schriftstellerin ("The Making of Americans") bilden die Textbasis des Stücks. Der japanische Titel "Hashirigaki" heißt soviel wie "schnell schreiben" oder "rasch gehen". Goebbels hat sich von den Ähnlichkeiten und Gegensätzen in der Ästhetik und Form westlicher und östlicher Kunst inspirieren lassen und verbindet sie in Bild und Musik. Die "Pet Sounds" der Beach Boys verfremdet Tanaka mit einem japanischen Streichinstrument. Sie klingelt auf dem Glockenspiel, zupft virtuos eine Art Zither. Ebenso mühelos gleiten in Goebbels' Bildsprache surreale Magritte-Fantasien, die klarlinige Kunst des Bauhauses und japanischer Reduktionsstil ineinander. Engelkes steckt in einem von innen erleuchteten Kokon aus Papier - ein Zauberwesen aus einer anderen Welt. Ganz von dieser Welt dagegen ist die kleine Pappkartonstadt, die sich die drei Frauen aufbauen und dann mittels Flaschenzug im Bühnenhimmel verschwinden lassen. Grellfarbige Perücken auf dem Kopf, singen sie inbrünstig den Ohrwurm "Put your hand on my shoulder", verwandeln sich darauf in anmutige Geishas, die manierlich an der Rampe musizieren [...]
on: Hashirigaki (Music Theatre)