29 August 2013, Wolfram Goertz, Die Zeit
Review (de)
Töne im Bergwerk
Der amerikanische Komponist Harry Partch revolutionierte das Tonsystem. Die Ruhrtriennale erinnert an den
visionären Musiker
"Heiner Goebbels (Regie), Klaus Grünberg (Bühnenbild) und Florence von Gerkan (Kostüme) in eine überzeitliche und transkontinentale Erlebniswelt gepackt - gleichsam in ein Bergwerk, in dem Töne abgebaut werden. Darsteller und Handlung gehen in diesem Kraftzentrum, das seine Musik einsaugt und wieder ausspuckt, völlig unter, das ist aber Absicht. Die Instrumente und Musiker sind in Bochum tatsächlich die Hauptdarsteller, was Partchs Idee vom "Corporealismus" seiner Musik kongenial einfängt." .... "Es gibt auch keinen Dirigenten, oft spielen die Musiker auswendig, wie Grubenarbeiter, die sich mit geschlossenen Augen in Ekstase halten; dazu tragen sie Bärenfelle, Overalls, wild gewürfelte Monturen, Sturzhelme, Ohrenschützer und Höhlenlampen, sie singen in Bordun-Quinten wie Indianer, die sich in ein mittelalterliches Kloster verlaufen haben, schlagen wie zivilisierte Herkulesse auf Ambosse ein oder huschen zu zweit zu dem schaurig gestimmten Harmonium, dessen Töne nicht nur dieses Bergwerk, sondern gleich die ganze Unterwelt das Fürchten lehren könnten. Die Wirkung ist gewaltig: Sogar die vier japanischen Straßenlampen, die bislang nur schwaches Licht geworfen haben, beginnen wie betrunken zu schwanken. Wenn am Ende diese Raserei leise erlischt, herrscht im Publikum allgemeines Einverständnis: Die Tür zum Hinterzimmer des Harry Partch sollte offen bleiben."
on: Harry Partch: Delusion of the Fury (Music Theatre)