10 February 1987, Michael Rieth, Frankfurter Rundschau
Review (de)
Im Niemandsland zwischen den Stil-Losigkeiten
Das Erste Internationale Art Rock Festival Frankfurt
[...] Das weitestgehende gewagteste Experiment gelang und wurde zum Höhepunkt des Festivals: Reiner Goebbels, für seine Text-Musik. collagen mehrfach mit Hörspielpreisen ausgezeichnet. beschaf"tigte sich erneut mit Heiner-Müller-Texten; diesmal nicht im Studio. wo man eine Konzeptionsarbeit so verdichten kann. daß sie bis an die Grenze des Verständlichen geht (und gerade darin sich der Qualität eines literarischen Textes nähert), sondern au! der Bühne. wo Momente der Spontaneität, der Aleatorik und der persönlichen Ad hoc-Improvisation Unabwägbarkeiten hineintragen, die entweder zu Längen führen oder die Aura des Hier und Jetzt, der Impovisation, schaffen können. Heiner Müller las persönlich seinen Text über den „Mann im Fahrstuhl“, die- sen erratischen Block aus dem „Auftrag“. und stellte somit die verständliche Rohfassung vor. Arto Lindsay sprudelte‘ die englische Übersetzung in Wiederholungen heraus. und der ehemalige „Fehlfarben“-Sänger Peter Hein sprach und schrie. Lindsay' oft überlagernd, in der Rolle des „Doppelgängers“ erneut die deutsche Version. Dazu die Musik: Goebbels am Flügel und an den Tasten und Disketten seines Synthesizers strukturierte mehr als daß er kommentierte; Peter Hollinger gab am Schlagzeug den geraden aber oft verschobenen und gewandelten Beat; die Weltklassebläser Tim Berne (as). Don Cherry (tp) und George Lewis (tb) arbeiteten innerhalb der vorgegebenen Absprachen so frei und doch so eng am Gehalt der Sprache, daß sie den Gedanken an die Möglichkeit einer nachträgiichen Studiobearbeitung nicht aufkommen ließen; und Fred Frith fand an der Gitarre und dem Baß zu so dezenter Gruppendienlichkeit, wie es von ihm kaum jemand erwartet hätte. [...]
on: Der Mann im Fahrstuhl (Music Theatre)