17 April 2003, Frank Pommer, Rheinpfalz
Review (de)
Die Salzburger Osterfestspiele sind zu Sir-Simon-Spielen
(...) Sie zeigten einen Mahler voller Abgründe, voll erschütternder Spannungen, so dass schon der Trauermarsch des ersten Satzes zu einem grausigen Totentanz wurde, weshalb man auch an die Mahler-typische Schlussapotheose mit gewaltigen Blechbläser-Chorälen nicht mehr so ganz glauben wollte. Gefeiert wurden der englische Dirigent und sein Orchester dennoch, und dies auch für die Aufführung von "Aus einem Tagebuch" des in Frankfurt lebenden gebürtigen Neustadters Heiner Goebbels, der dieses Werk im Auftrag der Berliner Philharmoniker komponiert hat. Goebbels erweist sich darin erneut als Meister der Instrumentierung, der es zudem versteht, große Spannungsbogen aufzubauen. Bis zur Ermüdung wiederholte rhythmisch-thematische Wendungen drängen nach einer Auflösung, die freilich ausbleibt. Einzelne, wirre, beängstigende Gedanken werden hingeworfen als Abdruck des Alpdruckes. Es wühlt und kämpft im Menschen - im Komponisten als Ich-Erzähler der Tagebuchnotizen? -, bis sich die Anspannung in fast gewalttätigen Tutti entlädt. Zurück bleibt ein vorsprachliches Gemurmel, eine Klangwüste, in die hinein einzelne Flöten melodische Wendungen rufen. Bei diesem Werk erlebte man auch einen ganz anderen Rattle, der so konzentriert arbeitete, dass kaum mehr Zeit für seinen sprichwörtlichen Lausbuben-Charme blieb.
on: Aus einem Tagebuch (Composition for Orchestra)