23 March 1998, FAZ
Article (de)
"Das TAT darf nicht zum Anhängsel werden"
Der Frankfurter Komponist Heiner Goebbels erhält den "Hörspielpreis des Jahres 1997"
Heiner Goebbels und das TAT: eine künstlerisch überaus fruchtbare Verbindung. Hier feierte der Frankfurter Komponist Erfolge, erreichte er ein aufgeschlossenes Publikum, fand er optimale Aufführungsbedingungen für seine Collagen aus Text, Musik, Performance. Im Bockenheimer Depot, der Spielstätte des TAT, wurde ihm gestern der "Hörspielpreis des Jahres 1997" für sein Stück "Die Wiederholung" überreicht - ursprünglich eine Produktion von Hebbeltheater Berlin, Kaaitheater Brüssel und TAT. Kein Wunder, daß der Frankfurter Komponist die Stirn runzelt, wenn es um die Zukunft dieses Theaters und seiner Spielstätte, des Bockenheimer Depots, geht. Es dem Ballett Frankfurt als neues Domizil zur Verfügung zu stellen, hält er nicht für eine rundum überzeugende Idee. "Ich habe nichts dagegen, daß Forsythe ins Depot geht", sagt er. "Aber das TAT darf nicht das Anhängsel einer anderen Institution werden." Für den Ballett-Intendanten Forsythe sei es ein notwendiges Übel, das TAT mitzuübernehmen, da er eine neue Bühne wolle. Dabei sei es fraglich, ob der "Perfektionist Forsythe" mit den technischen Möglichkeiten im Bockenheimer Depot überhaupt zufrieden sein werde. Daß er sich um das TAT besonders gekümmert habe, könne man schwerlich sagen: Nach dem Weggang von Intendant Tom Stromberg war Forsythe künstlerischer Leiter des TAT.
Goebbels hält es für notwendig, einen neuen Intendanten für das Theater zu suchen. Er selbst war für diese Position im Gespräch gewesen, hatte jedoch abgewinkt, da er das Haus nicht innerhalb des Verbundes der Städtischen Bühnen leiten wollte. "Aber es ist offensichtlich nicht durchsetzbar, das TAT wieder herauszulösen", sagt Goebbels.
Das TAT darf nach seiner Ansicht nicht zum reinen Tanztheater werden, sondern müsse als Ort erhalten bleiben, wo weiterhin auch eine Mischung aus Musik, Theater und Performance geboten werde. "Ich finde es wichtig, daß das kleine Budget, das das TAT hat, nicht an die anderen verscherbelt wird." Der Kulturpolitik wirft Goebbels vor, immer nur auf Druck zu reagieren. Inhaltliche Konzepte fehlten. Es gebe keinen ersichtlichen Grund, ausgerechnet jetzt Forsythe das Bockenheimer Depot zu geben, außer der Tatsache, daß die Vertragsverlängerung des Ballett-Intendanten anstehe.
Goebbels kommt soeben aus Australien, wo er beim Adelaide-Festival mit der TAT-Produktion "Schwarz auf Weiß" für Furore sorgte. Es werde in Frankfurt viel zuwenig bemerkt, daß die vom TAT produzierten oder mitproduzierten Stücke andernorts für große Aufmerksamkeit und Frankfurts Ruf als Kulturstadt sorgten. Neben "Schwarz auf Weiß" hätten noch zwei andere in Zusammenarbeit mit dem TAT entstandene Produktionen zu den Höhepunkten des Festivals gehört. zer.